Meinungen

Georg Gartz über die Ausstellung Farbräume

Wenn ich die Bilder von Maria Langenberg betrachte, fällt mir als erstes die lebendige Farbigkeit auf: ein kräftiges Rot steht neben einem strahlenden Blau, ein sandiges Orange wird ergänzt durch ein frisches Grün, weiße Flächen oder schwarze Linien setzen dazu kraftvolle Akzente. Wenn ich versuche, das im Bild Gemalte mit dem im Alltag Gesehenen zu vergleichen, fallen mir Landschaften ein. Stadtlandschaften mit Häusern und Gärten, oder Naturlandschaften. Berge und Wasserläufe kann ich mir vorstellen; Felder und Wiesen, oder Zweige von Bäumen, vielleicht gibt es sogar einige Blüten. Aber meine Gedanken werden wieder sehr schnell zurück auf das Bild gelenkt, denn dieses lebt nicht von den Motiven, die vielleicht Ausgangspunkt eines Bildes sind, sondern von der Gegenwart der Farben. Farbe, die zum Teil dick aufgetragen wird, in mehreren Schichten übereinander, auf einem unruhigen Untergrund, manchmal ruppig und brüchig, dann wieder mit Sand durchmischt oder als Rinnsal fließend.

Zum Arbeiten benutzt Maria Langenberg alles, was ihr zur Verfügung steht, neben Pinsel und Spachtel trägt sie die Farbe mit der Walze auf, druckt mit Folien und Papieren, oder benutzt auch einmal die Finger, um besondere Farbverläufe zu erreichen. So arbeitet sie meist an mehreren Werken gleichzeitig. Probiert hier eine Farbe aus und setzt sie dort neuen Kontrasten aus, übermalt an der einen Arbeit ganze Partien wieder in weiß, während sie auf der anderen Leinwand aus der dicken Farbschicht unterliegende Töne herauskratzt. Ein scheinbares Durcheinander von Leinwänden, Papieren, Farben und Materialien. Und dann auf einmal schält sich aus diesem schöpferischen Chaos eine Bildkomposition heraus. Eine blaue Fläche wird exakt platziert und bietet dem Gewirr der Flächen und Flecken ein beruhigendes Gegenüber, oder eine markante Linie in schwarz verbindet die vorher noch streitbaren Konkurrenten miteinander. Dieser Malprozess zieht sich manchmal über mehrere Wochen hin. Immer wieder werden die Arbeiten zwischendurch aufgehängt, begutachtet, abgewogen, verworfen, oder aber auch als gut befunden. Dann nämlich, wenn sich aus dem scheinbar so Gegensätzlichen eine neue Ordnung ergeben hat. Eine Ordnung, welche die Vielfältigkeit der täglichen Erfahrungen widerspiegelt und die vielleicht auch eine Ahnung gibt, wie sich diese Vielfalt bewahren lässt, ohne dass Gegensätzliches glatt geschliffen wird. Eine Ordnung, die nicht ihre Regeln preisgibt, aber dem Betrachter Ruhepole bietet, von denen er wieder neu blicken kann. Für Maria Langenberg bedeutet Harmonie nicht, dass Gleichartiges aneinandergesetzt wird, sondern dass der Widerspruch akzeptiert wird und zu einer neuen Sicht der Dinge führt. Von daher arbeitet sie in ihren Bildern mit dem Zufall. Sie lässt Farbe über das Bild laufen, zieht mit dem Spachtel neue Schichten auf und wäscht alles wieder ab, bis nur noch Spuren sichtbar sind. Weil sie das Gleichförmige nicht aushalten kann, durchbricht sie immer wieder die allzu offensichtlichen Strukturen, bringt die Komposition bis an den Rand der Zerstörung, um sie dann wieder aus der Farbe neu aufzubauen.

„Für mich ist das Malen eine Tankstelle“, sagt Maria Langenberg und meint damit, dass sie bei dem Prozess des Malens loslassen und auftanken kann. In ihren Bildern arbeitet Sie an Konflikten, die losgelöst von der alltäglichen Situation nach allgemeinen Lösungen suchen. Konflikten, die sich zwischen Formen und Farben abspielen, denen sie aber einen Kompromiss abringen kann, den sie tief im Inneren spürt. Ein Kompromiss, der im Alltag nicht immer gefunden werden kann. So verlässt sie ein Bild mit dem Gefühl, zumindest in dieser Komposition eine Lösung gefunden zu haben. Eine Lösung, die vom Betrachter im fertigen Bild nachvollzogen werden kann. So hofft sie, dass etwas von der Energie auch bei dem Anderen nachvollziehbar bleibt. Dass die Bilder auch für den Betrachter eine Tankstelle sind. Die Gemälde von Maria Langenberg sind keine Paradiese, in denen Einklang und Harmonie herrscht, sondern es sind wilde Gärten, in denen sie immer wieder schneiden und jäten muss, um dann mit seltenen Pflanzen und Blüten belohnt zu werden, die man in den Gärten des Paradieses so nicht findet.

Der Titel der Ausstellung „Chromata 2“ ist für mich so zu verstehen, dass die Gemälde von Maria Langenberg uns einen Raum zum Verweilen bieten. Einen Raum, der uns durch die lebendige Farbigkeit einlädt einzutreten. Ein Raum, der uns anregt und zugleich entspannt.